Der Himmel auf Erden "Wir wußten nicht, ob wir im Himmel oder auf der Erde waren. Denn auf der Erde gibt es nicht solche Pracht und Schönheit... Wir wissen nur, daß Gott dort unter den Menschen wohnt..."
So hatten Ende des 10. Jahrhunderts Boten dem Großfürsten der Kiewer Rus´ Wladimir kunde abgelegt von ihren Erforschung des orthodoxen Glaubens im Byzantinischen Reich. Gut tausend Jahre später finden Suchende in Rußlands Kirchen
" den Himmel auf Erden." Die schwere Flügeltür "kreischt in den Scharnieren."* Vorsichtig und ehrfürchtig tritt man auf Zehenspitzen herein und dann - dann ist man nur von Licht, Wärme und Schönheit umgeben. Ein Kerzenmeer flackert und knistert. Es riecht nach Weihrauch. Und überall Ikonen, aus denen " dunkel die Heiligen blicken."*
...Wie " ein göttlicher Himmelswagen mit glitzernden Reifen und Speichen"** sich aus
unerschöpflichen seelischen Tiefen emporschwingend, steigt über allem der Gesang - "ein
Hohelied, das mit dem Licht (des Kirchen-Innern) und dem Ritus ( der Liturgie), (dem) Glanz
und Wohlgeruch zu einem Gesamtkunstwerk verschmilzt."* Die Teilnahme einer Vielzahl von Seelen ( Priester, Diakone, Chor und Gläubige) läßt den Gesang zu einer alles durchdringenden Kraft werden.Im Laufe der Jahrhunderte ist die Orthodoxe Kirchenmusik eine vokale geblieben, ohne jegliche instrumentale Begleitung. Entsprungen aus einer mystischen Perzeption von Harmonie, Pracht und Schönheit, hat der Orthodoxe Gottesdienst Kraft des Gesangs eine Qualität und Ausstrahlung, die selbst nichtgläubige Menschen verzaubert und tief berührt.
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". . . von Gott miteinander verbunden," ** sangen sie "in perfekter Einheit des Geistes"*** , "damit wir in uns das Vergangene, den Geist und die Leiden früherer Generationen wiedererweckten, um uns danach emporzuschwingen, uns über uns selbst und über die Welt zu erheben und die Schönheit und den Sinn der eigenen Vorherbestimmung zu entdecken . . ."**, "die ewige Harmonie des Göttlichen erahnend"***, "uns, einmal ins Leben getreten, in seine wunderbare Beschaffenheit verliebten."**
* Alexander Smoltczyk im GEO Special Nr.2, 1992, Russland
** Tschingis Aitmatov: die Richtstatt; Roman (aus dem Russischen von Charlotte Kossuth)
***Dimitrij Lichatschow
Gedanken zum Russisch-Orthodoxen Kirchengesang
zusammengetragen von Irina Brockert-Aristova ..........